My Body, My Choice. My Eggs, Not Yours.

Ein fast unscheinbares Gebäude in einer idyllisch wirkenden ländlichen Gegend in Deutschland erwartet uns am Tag der geplanten Rettung von 1.400 Hühnern. Doch was sich hinter den Mauern verbirgt, ist eine dunkle Parallelwelt, die sich nur schwer in Worte fassen lässt.

Hennen, die in der Tierindustrie geboren worden sind, leben in der Regel ca. eineinhalb Jahre in den Betrieben, bis ihre Legeleistung nachlässt und sie geschlachtet werden. Im Schnitt haben sie in diesem Zeitraum über 450 Eier gelegt. Danach gelten sie als unwirtschaftlich und werden durch jüngere produktive Hennen ersetzt.

Hennen kurz vor der Ausstallung (legale Bodenhaltung in Deutschland)

Eine Henne wird direkt nach der Rettung tierärztlich untersucht

Das Eierlegen ist für den Körper einer Henne ein anstrengender Prozess, der viele Nährstoffe und Energie benötigt. Darüber hinaus kommt es bei vielen Hennen durch das ständige Eierlegen zu Entzündungen und Verletzung der Legeorgane. Sie wurden zwar dafür gezüchtet, fast täglich ein Ei zu legen, jedoch sind ihre Organe nicht dafür geeignet. Viele der Hennen leiden daher nicht nur unter den schlimmen Bedingungen des Stalles und an den folgenden des Platzmangels, sondern auch an inneren Verletzungen, die nicht selten zu einem verfrühten Tod führen.

Für die Hennen in diesem Betrieb beginnt ab heute ein neues Leben – sie werden in die Freiheit gebracht! Es ist der Tag, an dem sie das erste Mal die Sonne auf ihrer Haut spüren und Gras unter ihren Füßen. Die tapferen Ehrenamtlichen von “Rettet das Huhn e.V.” holen jede einzelne der Hennen aus dem Betrieb – kein Huhn wird zurückgelassen. Noch vor Ort werden sie von einer Tierärztin untersucht, so gut wie möglich behandelt und dann für den Transport zum Übergabepunkt vorbereitet. Hennen, die zu schwach oder zu stark verletzt sind, werden vor der Vermittlung in ein neues Zuhause in einer Pflegestelle bis zur vollständigen Genesung gepflegt und medizinisch behandelt.

EIne Henne wird in die Transportbox gehoben

Eindrücke Jan

“Dunkelheit, stickige Luft und das Rauschen von alten Lüftungsanlagen kommt mir entgegen, als ich den Stall durch eine alte Stalltür betrete. Aber dort ist noch ein Geräusch, das mir vertraut vorkommt und irgendwie komplett anders ist, als ich es kenne. Es sind die Stimmen der Hennen, über 1.400 von ihnen, die panisch und ängstlich kreuz und quer rufen. Mir wird direkt klar: Jede der einzelnen Hennen hier in diesem Stall leidet. Sie rufen um Hilfe.

Meine Augen brauchen einen kleinen Moment, bis sie sich an das Licht gewöhnt haben und ich erkennen kann, was vor mir ist. Ein langer Gang aus ehemaligen Käfigen, die voll sind mit Hennen. Hennen, die hier gehalten werden, um unter den denkbar schlimmsten Bedingungen Eier für die Lebensmittelindustrie zu legen. Alles ist voll mit Kot. Ich sehe, wie sie um jeden Millimeter Platz kämpfen, sich hacken und gegenseitig gegen die Käfigwände pressen. Ein Überlebenskampf, den sie jeden Tag aufs Neue führen müssen.”

Lange Gänge mit Käfigen voll mit verängstigten Hennen

Eindrücke Kerstin

Kerstin Brueller mit zwei geretteten Hennen

Als sich die Türen des Stalls öffnen, blicke ich in ein schwarzes Loch. Durch das Licht von draußen sehe ich hunderte von Augen, die mich auf einmal anstarren. Körper, die sich hinter Käfigstäben hektisch hin und her bewegen, erstarrte Körper und verängstigte Blicke, aber auch reglos und zusammengekauert. Ich sehe auch einen toten Körper, ein Individuum am Boden des Käfigs, für das jede Hilfe zu spät gekommen war.

Das Gefühl, den Stall zu betreten, ist überwältigend, es ist erschreckend, es ist beängstigend. Meine Gedanken und Emotionen überschlagen sich und nach ein paar Sekunden ist meine Reaktion, alle Gefühle einmal beiseite zu schieben und nur noch für die Tiere zu arbeiten, um sie aus diesem Höllenloch herauszuholen.

Die Dunkelheit ist äußerst irritierend, aber sie ist notwendig, um die Tiere nicht noch mehr in Panik zu versetzen. Mit einer roten, augenschonenden Stirnlampe gehe ich Schritt für Schritt vorwärts zu einer Aktivistin, die die Tiere aus den Käfigen und in meine Arme hebt. Zwei warme Körper an meinen gepresst, mit erhöhtem Puls, der in meinen Händen und auf meiner Brust spürbar ist, gehen wir hinaus in die Freiheit. Die Hühner wissen nicht, was mit ihnen geschehen wird. Wie auch? Sie wissen nicht, was wir vorhaben. Mit sanfter Stimme spreche ich daher zu ihnen. "Wir gehen jetzt nach draußen. Du und ich. Jetzt wird alles gut!", während ich mit meinen Fingern sanft ihre Brust berühre. Der Schritt aus dem Stall ist befreiend und bedrückend zugleich. Ich hoffe nur inständig, dass dieses Leiden bald ein Ende hat.

Für jedes einzelne Individuum, das heute aus dem Stall getragen wurde, bedeutet es die Möglichkeit auf ein neues Leben. Ein Leben, in dem sie endlich ihren natürlichen Instinkten nachgehen können, ohne in Angst leben zu müssen. Nicht alle werden es schaffen, sich von den Strapazen und Konsequenzen der Tierindustrie zu erholen und sterben an den Folgen der Massentierhaltung. Die intensive Ausbeutung, getrieben durch Profitgier, hat zu tiefe Wunden hinterlassen.

Tiere haben keine Wahl, ob sie ausgebeutet, missbraucht und geschlachtet werden. Kein Tier wird nach der Geburt gefragt, ob es lieber in Freiheit leben will - nein, es wird weggesperrt, ausgenutzt und danach entsorgt. Indem wir aufhören, Eier und andere tierische Produkte zu konsumieren, können wir gemeinsam dieses Leid verringern und zu einem Umdenken über unsere Beziehung zu Tieren beitragen. Es sind ihre Körper, ihre Leben und ihre Entscheidungen und nicht unsere!

Autor*innen: Kerstin Brueller, Jan Engelhardt

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Faces of Captivity

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Übergabe geretteter Hühner – durch „Rettet das Huhn e. V.”